Sind Coaches Künstler der Enthemmung?

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Von Prof. Dr. Markus Jüster

Peter Sloterdijk schrieb zur Stellung des Beraters folgende Zeilen: „Der homo consultandus tritt auf den Plan. Im Zeitalter der Entdeckung der Welt und des Menschen wird der Mensch vor allem als «das zu beratende Wesen» entdeckt – mithin als das Wesen, dessen Eigenforschungskompetenz niemals ausreichen könnte, um sich im Horizont des entgrenzten Wissens zureichend zu orientieren.“ (Neue Zürcher Zeitung, 18.02.2017)

Nun, aber was und wer wird hier wie enthemmt? Ist es das Wissen, welches uns voran treibt und  ist es der Rat im konsultatorischen Bündnis neue Wege zeigt? Dies mag so sein, aber ist es Aufgabe von Beratern immer noch Rat-Schläge zu geben. Wenn das eigentliche Binnenverhältnis im konsultatorischen Prozess die Asymetrie des Wissens ist, so wird KI Beraterinnen und Berater arbeitslos machen.

Ich spreche hier nun von einer besonderen Form des „Rates“, der Möglichkeit der Reflexion, wie sie durch Coaches gegeben ist. Worauf bezieht sich der Rat? Ist es überhaupt ein Rat? Gibt es nicht eine Abstinents des – ratgebenden – Wissens in der Selbstaneignung von Informationen?

Was aber ist dann die Aufgabe des Coaches? An dieser Stelle will ich erneut den Begriff der Enthemmung einführen. In der Form der Ent-Hemmung kann sich der Mensch entfalten. Sprich es geht darum Hemmnisse zu erkennen und den kompetenten Umgang mit ihnen zu erlernen.

Warum aber nicht Hemmnisse auflösen und in freier Schussfahrt in das Glück der Selbentfaltung rasen?  Hemmnisse und Widerständer erfüllen oftmals einen Zweck. Sie schützen vulnerable Anteile einer Persönlichkeit. So schütze ich mich Überforderung und verhindert die angst so manchen Übermut. Luhman weisst darauf hin, dass Soziale Systeme sich zum Selbsterhalt re-produzieren. Dies kann man einfach als Stabilität ausdrücken. Enthemmung wird zum Problem!

Wenn Enthemmung zum Problem wird, kann der Coach zur Künstlerin werden! Es liegt dann nahe, Hemmnisse zu erkennen, der Bedeutung zu würdigen und sie in den Prozess der Integration zu integrieren. Dazu Bedarf des der Kunst des Verstehens.

Dies ist allerdings an eine gewisse Kunst-Fertigkeit gebunden.Diese Fertigkeit kann als Handwerk bezeichnet werden, mit der die Künstlerin hantiert. Nun aber, welches sind etwaige Instrumente und Methoden des Handwerks? Hier bietet das Coachinghandwerk eine Reihe von Angeboten, sei es aus der True des Systemischen, aus Anleihen des Psychotherapie, der Kommunikationswissenschaften und sogar der Sozialen Arbeit. Hier gilt der Aphorismus: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ (Stammt trotz Zuschreibung nicht von P. Watzalwik).

Wie aber transformiert sich aus dem Handwerk eine Kunst? Sie liegt in der Interpretation und dem Ausdruck der Künstlerin. Insofern ist die Kunst der Enthemmnis nicht  ohne den Ausdruck der Persönlichkeit der Coachin möglich.

Was aber ist das Ziel eines „Coaching der Enthemmung“? Sicher nicht die Schamlosigkeit! . Es geht weder um Wissen noch Rat.  Es geht darum sich selbst -wieder? – zu finden und den harmonischen Fluß des Lebens zu begleiten. Es geht foglich um die reflexive Unterstützung der Interpretation des eigenen Seins.

Dies ist eine Kunst. Und Coaches sind Künstler der Enthemmung!

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Prof. Dr. Markus Jüster