Fokus.

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Von Prof. Dr. Markus Jüster

Fokussiert sein, heißt ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf einen Punkt zu lenken. Gleichzeitig erlebt man ein Paradoxon:

  • Eine Ausschließlichkeit der Aufmerksamkeit und die Spannung auf einen Punkt, sowie
  • einem Moment innerer Ruhe

Es ist still!
Es ist so, als ob der Fokus eine vollkommende Harmonie des Innen mit dem Außen erzeugt.


Der Begriff „Fokus“ wird in der Literatur vielfach mit dem Begriff der „Konzentration auf das Wesentliche“ assoziiert. Es handelt sich um eine Zeitspanne ohne Ablenkung, in dem das Wesen eines Momentes, einer Sache, eines Ziels, einer Überzeugung oder einer Bindung hervortreten kann. Otto Scharmer bezeichnet diesen Punkt als Presencing – als Ort der Kontemplation – in dem wir uns mit der Quelle verbinden. Dies geschieht durch die Phasen des Innehaltens (Downloadens), des Umwendens (Observing) und des Spürens (Sensing). Letztlich ist es der Akt des Loslassens, der uns dahinführt.

Erste Frage: Nun, wie geschieht dies?

Laufen, Yoga, Atemübungen, Meditieren, Musik hören, Bilder schauen, Waldspaziergänge oder sonstige Dinge können uns sicher dahinführen. Letztendlich ist es immer die Bereitschaft die Sinne nach innen zu wenden und ins Nichts zu schauen.

Insofern dies gelingt, entsteht etwas Neues aus dem Nichts.
Platon beschreibt den Begriff des Daimonions, einer inneren Stimme. Diese innere Stimme wird als etwas göttliches interpretiert, wobei der abgeleitet Begriff des Dämonischen eher das Gegenteil verspricht. Es geht um die Form einer unbestimmten Gottheit, welche uns als innere Stimme warnen, mahnen oder aber als innere Instanz auch Ausblicke liefern kann. Im Fokus kann folglich eine Bestimmtheit entstehen, welche die Gedankenwelt der Bewusstheit überschreitet.

Die zweite Frage lautet: Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Überlegungen, was fangen wir damit an?

Diese Frage ist schon etwas heikler. Natürlich können wir die innere Stimme ignorieren, das Subjektive am Subjekt vernachlässigen. Die Frage ist nur, ob sich das Verdrängte auf Dauer verdrängen lässt oder immer wieder auf neuem – manchmal auch unangenehmen – Wege selbst aktualisiert (Freud)? Meine Kernreferenz macht sich sozusagen immer wieder selbst zum Thema (Luhmann).

Diesbezüglich sei angemerkt, dass die Elemente des Daimonion ebenfalls eine lenkende Funktion für unsere Wahrnehmung haben. Sind Bilder, Gedanken, Wünsche oder Motive des Inneren nicht eben auch Sinn stiftend für unsere Überzeugungen (Watzlawik)? Warum aber nicht bewusster damit umgehen und sie folglich nicht wieder ins Unbewusste verdrängen? Insofern wandert der Fokus nach innen. Die Stille kann der Begegnung mit dem Selbst förderlich sein.

Als nächster Schritt kann das Nach-Denken – als Form des Denkens danach – hilfreich werden. Aus Sicht der Beratung macht spätestens hier der Dialog Sinn. Das nach außen Tragen der Gedanken, Gefühle, Wünsche und Motive bedeutet, dass sie aus der Gedankenwelt in die Realität überführt werden können. Im Rahmen dessen offenbaren sich Einschränkungen. Der Wunsch, etwas zu tun, impliziert nicht die tatsächliche Fähigkeit dazu. Wollen heißt nicht Können!

Gutes Coaching kann dabei helfen, zwischen Dialog und Innenschau zu oszillieren. Es erlaubt es dem Subjekt sein Subjekt zu entschlüsseln und in einer Welt der Objekte Ziele zu setzen. In der Harmonie von Innen- und Außenwelt kann der Fokus seine eigene Kraft entwickeln und so auch zum Motor unserer Transformation werden.

Fokus kann gelingen. Dies geschieht – im Bewusstsein der Begrenztheit – durch eine Harmonie zwischen innerem Antrieb und äußeren Gegebenheiten. In der Begleitung der Suche nach dieser Harmonie kann eine Zukunft des Coachings liegen, welche – derzeit – kaum mit KI abgebildet werden kann.

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Prof. Dr. Markus Jüster