Wandel passiert – oder auch nicht! Aber, Wandel lernen? Nun, stellt sich die Frage, was Wandel überhaupt bedeuten kann:
- Eine permanente Veränderung, ein Weg den wir beschreiten.
- Eine Metamorphose, so etwas wie von der Raupe zum Schmetterling.
- Ein Kreislauf der Veränderung – auch zwischen Entstehen und Vergehen.
Setzt man Wandel mit dem Begriff „Metamorphose“ gleich, so ergibt sich ein Bild der Umwandlung oder Verwandlung. Damit kann man eine tiefgreifende Veränderung der Struktur, Form oder Funktion eines (biologischen) Wesens beschreiben. Metamorphose wird auch metaphorisch verwendet. Wir beschreiben damit tiefgreifende, transformative Veränderungen in anderen Kontexten, wie z.B. persönliche Entwicklung oder organisatorische Veränderungen.
Kann man Wandel lernen?
Will man den Begriff des Lernens aus Kybernetischer Sicht beschreiben so bieten sich drei Ordnungsbegriffe an:
- Lernen erster Ordnung kann als inkrementelle Verbesserungen und Anpassung innerhalb eines bestehenden Rahmens oder Systems verstanden werden. Es geht um die Erweiterung des vorhandenen „Wissen“.
- Lernen zweiter Ordnung kann als grundlegende Veränderung im Denken und Handeln beschrieben werden. Es bedeutet, die grundlegenden Annahmen, Werte und Regeln, auf denen das Lernen erster Ordnung basiert, zu hinterfragen und möglicherweise zu verändern. Dabei müssen wir das gesamte System, in dem das Lernen stattfindet, neu bewerten.
- Beim Lernen dritter Ordnung geht es um die Regeln, nach denen Veränderungen (Transformationen) ablaufen. Es handelt sich um ein Lernen über das Lernen, welches auch als „Deutero Learning“ bezeichnet wird. Für das organisationale Lernen wird der Begriff seit seiner Beschreibung durch Agyris/Schön (1996) genutzt.
Wie aber können wir diese Idee für das Lernen von Menschen nutzen?
Zusammenfassend lassen sich die drei Ebenen des Lernens wie folgt beschreiben:
- Als Lernen erster Ordnung kann man den Erwerb von Wissen bezeichnen.
- Lernen zweiter Ordnung beschreibt die Aneignung von Kompetenzen.
- Lernen dritter Ordnung bedeutet, Lernen als Wandel zu verstehen und Bedingungen zu schaffen, unter denen dies möglich ist.
Wandel, Wachstum und Entwicklung sind nahezu unvermeidbare Szenarien menschlichen Lebens. Sie ergeben sich an Bruchkanten von Lebensabschnitten ebenso, wie sie auch durch Konflikte und Krisen induziert werden können.
Menschen sind auch in der Lage sich neue Themen, Werte, soziale Interaktionen, Bindungen oder Überzeugungen anzueignen.
Welche Fähigkeiten helfen uns, diese Veränderungsprozesse des Wandels zu gestalten?
- Introspektion: Introspektion ist der Prozess der inneren Selbstbeobachtung und Selbstreflexion, bei dem eine Person ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Motivationen und mentalen Zustände analysiert. Es handelt sich dabei um eine Art des „nach innen gerichteten Blicks“, bei dem man bewusst und systematisch darüber nachdenkt, was in einem vorgeht. Introspektion ermöglicht es, die eigene innere Welt besser zu verstehen. Introspektion kann helfen, persönliche Muster zu erkennen, Emotionen zu verarbeiten und tiefere Einsichten in das eigene Verhalten und Denken zu gewinnen
- Exploration: Die Bereitschaft, die Welt – unvoreingenommen – zu beobachten, vom Guten zu Lernen und sich der eigenen Wirkung auf das Außen bewusst zu werden ist eine große Quelle des Lernens.
- Reflexion: Der Mensch ist zur Selbstbeobachtung fähig. Wir können aus unserem Alltag heraustreten und uns selbst – kritisch – beobachten. Erkenntnis wächst aus Reflexion.
- Inspiration: Welche Erlebnisse lösen Kreativität in mir aus? Welcher Funke entzündet das Gefühl der Erleuchtung oder begünstigt eine intensive Motivation, welche zu kreativen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder sonstigen innovativen Aktivitäten führt? Ist es Begegnung, Natur, Kunst, Musik, Kontemplation, Sport oder Literatur?
- Interaktion: Schlussendlich kann Wandel nur durch eine Veränderung des Handelns Ausdruck gewinnen, welcher wiederum in veränderten Interaktionen mündet. Bindungen werden bewusster eingegangen, das Verständnis für das Gegenüber wächst, Freundschaften und Partnerschaften können sich vertiefen und Konflikte zu gegenseitigem Verständnis führen. Wandel wird dann zur Reife.
Wandel lernen heißt sich mit dem Vorgang der Veränderung zu beschäftigen und ihn zu verstehen. Wandel in Beratungsprozessen zu initiieren bedeutet, bewusst Promotoren der Veränderung einzusetzen.

Prof. Dr. Markus Jüster